damals sogar von dem bekannten Schauspieler und Sänger Fred Liewehr, einem Freund unserer Familie, in irgendwelchen Wellen des Großdeutschen Rundfunks vorgetragen worden (und mit diesem verhallt).

Die nächste Entdeckung war die meines "Dichtertums", das sich in dem formal Anspruchsvollsten, in Sonettenkränzen, - nun bereits in Baracken und Kasernen geschrieben - manifestierte; dankenswerterweise sind auch sie ohne Rest verloren. Soweit 1943/44 ein so utopischer Gedanke wie der, daß ich einmal studieren könne, überhaupt auftauchte, verwandelte er sich natürlich in den Wunsch, Literaturwissenschaft zu studieren; den Wunsch nach der Beschäftigung mit meinen geliebten Lyrikern - Platen, Hölderlin, Nietzsche, George (ja, auch diesem), Rilke (von "Entarteten" wie Benn, der mir später so viel bedeuten sollte, wußte ich noch nichts) - und nach einem Beruf, der mir eigene sprachschöpferische Arbeit erlauben würde.
Diesem Wunsch folgte ich selbstverständlich, als ich 1945/46 in Graz studieren durfte; ich besuchte die Vorlesungen aus deutscher und englischer Philologie mit allem Eifer des geistig Ausgehungerten, für den die  Notzeit des ersten Nachkriegswinters auch keinerlei Ablenkungen bereithielt. So verdanke ich der Zufallstatsache, daß eine Vorlesung über Hebbel stattfand, eine sich für mich von selbst verstehende Lektüre aller (!) Werke Hebbels. - Aber neben der so ernsthaft betriebenen Literaturwissenschaft zog mich alsbald die zweite Seite der Philologie in ihren Bann, die so vielen literaturbegeisterten Jung-Germanisten verhaßt zu sein pflegt: die historisch-vergleichende germanische Sprachwissenschaft. Hier hatte ich in meinem Grazer Anfangsstudium zwei eindrucksvolle Lehrer: den Germanisten Leo Jutz, einen exakten "Junggrammatiker" (was ich längst als einen Ehrennamen verstehe); und in den Anglistik einen der bedeutendsten Linguisten Österreichs, der damals noch in Graz wirkte, den Luick-Schüler Herbert Koziol.