Dieses Ergriffenwerden von der Welt der Sprachen, die mich in der Schule noch dumpf gelassen hatte, war freilich durch die Erlebnisse in jenen Endphasen des Krieges, an denen ich teilnehmen mußte, vorbereitet. Nach einer Isolation, die sich ein heutiger Jugendlicher kaum vorstellen kann, lernte ich da aus der intelligent-geduldigen Partnerschaft italienischer Bauern und aus meinen Latein-Kenntnissen das Italienische und die Normen seiner Verschiedenheit vom Latein erschließen; und später vermittelte mir die Langmut (und die mir unvergeßbare Humanität) britischer Wach-Soldaten das Erlebnis, jenes wenige Englisch, das wir gelernt hatten (denn auch dieser Lehrgegenstand war der Kürzung des Flakhelfer-Unterrichts zum Opfer gefallen), sei eine tatsächlich funktionierende Sprache. - Daß freilich meine Stacheldraht-Gespräche mit indischen Soldaten, die uns in Tarent bewachten, zu meinem späteren Interesse an (indoarischen und dravidischen) Sprachen Indiens beigetragen haben, ist ein Mythos, der mir gefiele, an den ich jedoch nicht glauben darf.
Was mich aber in jenem ersten Semester wahrhaft überwältigte, war die Berührung mit der Indogermanistik, die mir in Büchern entgegentrat, auf die in der germanistischen Fachliteratur verwiesen worden war. Ich las, ohne lenkende Hand, Altes und Neues durcheinander; ein großartiges, aber damals schon einigermaßen veraltetes Werk wie Brugmanns "Kurze Vergleichende Grammatik" vermittelte mir mit seiner glasklaren Schilderung des Ablauts, der Konjugation, der Laut-Entsprechungen die Überzeugung, der Liebe meines geistigen Lebens begegnet zu sein. Ich beschloß, vom zweiten Semester an Indogermanistik zu studieren - zum anfänglichen Erschrecken meines guten Vaters, der aus seinem eigenen Ingenieur-Studium schließen mußte, dies bedeute einen neuerlichen Studien-Beginn. Da ich von der Existenz dieses Studienfaches nichts gewußt hatte, lernte ich den Vertreter der Grazer Indogermanistik, Wilhelm Brandenstein, erst jetzt kennen.